Homeoffice – Das Thema bewegt derzeit mehr denn je. Mario Dönnebrink, Vorstand und CEO, d.velop AG beschäftigt sich wissenschaftlich und gut recherchiert mit den Vor- und Nachteilen des Homeoffice und zieht sinnvolle Erkenntnisse.

Ein Artikel in meinem Lieblingsmagazin t3n mit dem Titel „Homeoffice vs. Präsenzarbeitsplatz“ hat kürzlich meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dort wird der Google-CEO Sundar Pichai zitiert:
Wir glauben nicht, dass die Zukunft 100 Prozent Remote ist“, so der Manager. „Wir glauben fest daran, dass das persönliche Zusammensein, ein Gemeinschaftssinn, sehr wichtig sind, denn wann immer man schwierige Probleme lösen muss, muss man etwas Neues schaffen.

Damit schlägt er eine ähnliche – allerdings auf Freiwilligkeit basierende – Richtung ein, wie Michelle Peluso, Marketingchefin von IBM, die Anfang 2017 im Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg neben tollen Mitarbeitern auch von „wahrhaft kreativen und inspirierenden Örtlichkeiten“ sprach und dann die Mitarbeiter größtenteils zurück in die Büros beorderte.

Dabei hat mich weniger der Umstand gewundert, dass digitale Vorreiterunternehmen wie Google und IBM, welche wirtschaftlich von dezentralem und vernetztem Arbeiten stark profitieren sollten, selbst die Mitarbeiter zumindest in Teilen im Office sehen möchten, als der Umstand, dass der Google-CEO sich persönlich dieses Themas annimmt. Es musste also eine sehr große Relevanz für das Unternehmen haben. Ich wurde also neben den vielen internen Impulsen und Feedbacks zu unserer eigenen Homeoffice-Situation bei der d.velop AG durch den Artikel gleich doppelt neu- und wissbegierig.

Arbeiten im Homeoffice von Heute auf Morgen: Wem ist es nicht so ergangen?

Nach den ersten eher technisch geprägten Erfahrungen von Unternehmen im Homeoffice, welche in den allermeisten Fällen (auch dank Digitalisierungsanbietern wie d.velop) recht reibungslos verliefen und lediglich Fragen nach geeigneten Tools – wie „Teams oder Zoom?“ und weiterer Homeoffice Software – aufgeworfen hatten, stellte sich schnell heraus, dass viele Fragen, welche ich als soziale, gesundheitliche, kommunikative und organisatorische Fragen kennzeichnen möchte, unbeantwortet blieben. Es mussten sehr schnell vollkommen neue Konzepte gefunden werden. Was fiel mir auf? Die bislang in geringem Grad ausgeprägte wissenschaftliche Aufarbeitung. Klare Anleitungen wie ein „Handbuch fürs Homeoffice“ fehlten.

Viele, sich teils widersprechende Artikel wurden in der Folge in den Medien schnell veröffentlicht. Die Erfahrungen, die man aber ganz praktisch machte, waren eben nicht, wie in so manchem Artikel „schwarz/weiß“, „sondern sowohl-als–auch“.

BesprechungQuelle: d.velop

Vor- und Nachteile des Homeoffice werden erst in der Praxis sichtbar

Klare Vorteile ergaben sich unmittelbar durch die Nutzung des Homeoffice: mehr Zeit für die Familie, sehr produktives Arbeiten durch Fokuszeiten, weniger Zeit im Auto – aber nach ein paar Tagen der Faszination, dass das überhaupt so einfach und derart produktiv möglich war, folgte durchaus auch Ernüchterung: Die fehlende gemeinsame Mittags- oder Kaffeepause mit den KollegInnen, viel zu viel „Ausgleichskommunikation“ über Videochat, keine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben … es lag – so das viele Feedback, das mich erreicht hat – auf der Hand:

Homeoffice ist super und produktiv – aber nicht ausschließlich. Präsenzzeit im Office ist ebenfalls wichtig.

Soweit die „gefühlte” Situation im Homeoffice. Mittlerweile aber liegen einige fundierte Studienergebnisse und Umfrageergebnisse sowie auch Ausarbeitungen auf wissenschaftlicher Basis vor. Diese habe ich mit großem Interesse studiert und mir die Mühe gemacht, einiges davon zusammenzutragen und auszuwerten.

Studien Homeoffice: Die Vorteile stärkerer Homeofficenutzung aus wissenschaftlicher Sicht

Viele Untersuchungen und Studien – hervorzuheben sicherlich eine große Studie der DAK – stellen fest, dass die Produktivität und Zufriedenheit für den Arbeitnehmer durch die Nutzung des Homeoffice steigt.

Vorteile des Homeoffice für Arbeitnehmer – Mehr Produktivität bei weniger Stress, bessere Work-Life-Balance

56 Prozent derer, die mittlerweile regelmäßig zu Hause arbeiten, sagen, sie seien dort produktiver als im Büro. Außerdem fühlen sich viele der Befragten deutlich weniger gestresst als bei der Arbeit im Büro: Fühlten sich vor der Pandemie 21 Prozent der Beschäftigten regelmäßig gestresst, waren es während der Corona-Krise nur 15 Prozent. Der Anteil der Erwerbstätigen, die nie oder nur gelegentlich Stress ausgesetzt waren, stieg unterdessen von 48 auf 57 Prozent.

„Von zu Hause aus zu arbeiten, senkt nicht nur die Ansteckungsgefahr vor Virusinfektionen, sondern zahlt sich auch für das seelische Gleichgewicht aus“, bilanzierte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Die positiven Erkenntnisse müsse man für die Zukunft nutzen „ohne die negativen Aspekte des Homeoffice zu übergehen, die es ebenfalls gibt“.

Doch die unmittelbaren Vorteile überwiegen und in der Folge wollen 76,9 Prozent der Beschäftigten, die erst seit der Coronakrise regelmäßig in der eigenen Wohnung arbeiten, diese Arbeitsform auch in Zukunft – zumindest teilweise – beibehalten, so die Ergebnisse einer Umfrage aus den Anfangsmonaten.

Doch auch die Folgeanalysen nach einigen Monaten der stärkeren Nutzung zeigen, dass 69 Prozent der befragten Arbeitnehmer im Homeoffice auch nach der Pandemie mehr von zu Hause aus arbeiten möchten als vorher und 85 Prozent der Homeoffice-Nutzer mit ihrer Situation zufrieden sind. Ganz konkrete Tipps für das produktive Arbeiten aus dem Homeoffice finden Sie übrigens auch im d.velop Blog 5 Tipps für produktives Arbeiten von Zuhause.

Arbeiten aus dem HomeofficeQuelle: d.velop

Vorteile des Homeoffice für Arbeitgeber – Mehr Flexibilität

Daneben gibt es aus Unternehmenssicht weitere wichtige Vorteile: Wenn der Ort der Arbeit keine so wesentliche Rolle mehr spielt, erhöht sich die regionale Flexibilität bei der Auswahl neuer Mitarbeiter – ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter für ein Unternehmen. Bei so manchem Unternehmen ergeben sich vollkommen neue Spielregeln – durch nicht nur „klassisches Homeoffice“, sondern „Work everywhere“: Warum sollte man nicht einfach Mitarbeiter im Ausland einstellen und per Remote mitarbeiten lassen, um auch neue regionale Märkte zu erschließen?

Mehr Innovationskraft

Zudem ist es nachgewiesen, dass eine sehr begrenzte lokale Ausprägung eines Unternehmens ein Hemmnis für die Innovationskraft ist. Wer stets nur das eigene lokale Umfeld im Blick hat, sozusagen „im eigenen Saft schmort“, hat weniger neue Ideen. Oder anders gesagt: Per Remote arbeitende Mitarbeiter „von überall“ bringen neue, innovationsstiftende Impulse ins Unternehmen. Eine große Chance gerade für mittelständische Unternehmen, die nicht wie multinationale Konzerne ständig neue Impulse aus vielen Regionen der Welt erhalten.

Negative Auswirkungen von stärkerer Homeofficenutzung

Neben vielen Vorteilen, die nachgewiesen werden konnten, gibt es aber auch nennenswerte und relevante Nachteile:

Schwierige Trennung von Privat- und Berufsleben und fehlende soziale Interaktion

Fast jeder Zweite vermisst laut der Studie der DAK die klare Trennung zwischen Job und Privatleben. Bei den 18- bis 29-Jährigen bemängelt dies sogar eine Mehrheit von 52 Prozent. Drei Viertel der Befragten fehlt zudem der direkte Kontakt zu den Kollegen. Das Fehlen sozialer Interaktionen im Arbeitsumfeld und die Übertragung einer erheblich größeren Selbstverantwortung bei der Arbeitsorganisation führt zudem bei einem Teil der Arbeitnehmer zu psychisch und gesundheitlich negativen Folgen. So stellte etwa die  AOK  in ihrem “Fehlzeitenreport” fest, dass Heimarbeitende öfter erschöpft und psychisch belastet waren als Menschen, die vor allem im Büro arbeiteten.

Verlust von Kaufkraft

Daneben ist hervor zu heben, dass aufgrund gesamtwirtschaftlicher infrastruktureller Veränderungen auch ganz konkret Kaufkraft und Wirtschaftsleistung verloren geht. Weniger notwendiger Büroraum in den Städten führt zu einem Rückgang oder zumindest weniger schnellem Wachstum der Immobilienbranche bei Gewerbeimmobilien. Abhängige Gewerbe, wie z.B. benachbarte Gastronomie verzeichnen starke Rückgänge. PWC beziffert diese mittelfristigen Einbrüche der Wirtschaftsleistung in Großbritannien allein auf 16,7 Mrd. Euro – wobei m.E. die langfristigen Effekte in Randzonen und ländlichen Regionen, auf welche sich in der Folge diese Wirtschaftsleistungen verlagern werden, zumindest einen dämpfenden Effekt haben werden.

Wissen und Kreativität gehen verloren

Doch ein negativer Effekt der Nicht-Präsenzarbeit überwiegt meines Erachtens die anderen und relativiert damit auch viele Vorteile. Wissen ist ein sehr einflussreicher Faktor auf den Unternehmenserfolg. Bei Wissen spricht man von explizitem Wissen einerseits und implizitem Wissen anderseits. Explizites Wissen ist Wissen, dass kodifiziert und kommuniziert werden kann. Dieses Wissen ist auch über digitale Kommunikation schriftlich oder mündlich sehr leicht austauschbar. Implizites Wissen ist nicht kodifiziertes oder kodifizierbares Wissen, auch stillschweigendes Wissen genannt. Man spricht bei implizitem Wissen auch von Können. Es kann ausschließlich durch implizites Lernen vermittelt werden und ist deshalb nicht über elektronische Medien vermittel– oder austauschbar.

Selbst bei Videomeetings sei dieses implizite Wissen nicht vermittelbar, so die Wissenschaftler, aufgrund des Fehlens von Kopräsenz. Dieser Umstand führt dazu, dass in einer ausschließlichen oder überstarken Remote-Work-Situation dieses Können nicht mehr weitergegeben wird und somit langfristig verloren geht.

Weiterhin ist beobachtbar, dass teilweise Kreativprozesse leiden, weil gewisse Gruppendynamiken nicht einsetzen, weil Dinge wie Mimik und Gestik, also nonverbale Informationsübermittlung, wegfallen oder geringer ausfallen. Diese Effekte haben sehr negative Auswirkungen auf die Innovationskraft von Unternehmen und sind nicht zu unterschätzende Faktoren für den unternehmerischen Erfolg.

Hybrid – die Summe aller Nachteile?

Meine KollegInnen kennen diesen Wesenszug an mir: Ich meide alles „Hybride“ zunächst wie der „Teufel das Weihwasser“.

„Hybrid“ ist in meinen Augen in den allermeisten Fällen ein Synonym für „inkonsequent“. Erst wenn nachweislich durch kombinierte Konzepte – Hybridkonzepte – tatsächlich mehr Vorteile als Nachteile geschaffen werden, lasse ich mich (wenn auch nur widerwillig) überzeugen 😉

Der Grund dafür: Ich liebe Veränderungen und Innovation (außer bei mir zuhause, wie meine Familie oftmals sehr leidvoll offenbart … denn wehe die Farbe der Sofakissen wird verändert oder ein neues Bild aufgehängt).

Gute, neue, konsequente Konzepte werden oftmals aufgrund mangelnden Mutes oder Ablehnung von notwendigen Verhaltensänderungen derart schlecht, sprich ineffektiv mit alten Konzepten kombiniert, sodass (fast) nichts Gutes mehr übrigbleibt. Man hat es aber oft gut gemeint. Ein gutes (eigentlich schlechtes) Beispiel dafür sind die hybriden Antriebskonzepte aus der Automobilindustrie.

Man traut sich nicht, den Kunden zuzumuten, dass es etwas Neues gibt, das zwar viel besser, zukunftsfähiger und innovativer ist als das Alte – aber auch revolutionär anders in der Handhabung. Sprich: Es würde Verhaltensänderungen erfordern. Also kombiniert man über 100 Jahre alte Technologie der Verbrennung von fossilen Brennstoffen mit einer modernen Antriebstechnologie, welche unter geringsten Umwandlungsverlusten sehr effektiv gespeicherte Energie aus der Umwelt in Bewegungsenergie umsetzt.

Was kommt dabei heraus?

Ein schwereres und damit energiehungrigeres Fahrzeug mit weniger Platzangebot und höchst komplexen und damit störanfälligen Verbindungen beider Antriebskonzepte. Die ersten Publikationen weisen bereits nach, dass Hybridfahrzeuge erheblich mehr Energie verbrauchen und nicht weniger.

Genauso ist es m.E. mit fast allen Dingen. Bietet man aus Gründen des Kompromisses ein hybrides Konzept an, erkauft man sich den Kompromiss zumeist durch die Aufgabe wesentlicher Vorteile – häufig ist das Resultat das „schlechteste aus zwei Welten“.

Hybridkonzept beim Arbeitsort?

Doch bei der Wahl des Arbeitsortes ist das anders. Natürlich gibt es auch Nachteile, wenn ein Teil eines Teams sich lokal trifft und ein Teil verstreut per Remote arbeitet – es wird eben ineffizienter kommuniziert – doch in der Kombination beider Arbeitsformen „Remote“ und „Präsenz“ liegen insgesamt deutlich mehr Vorteile. Es kommt auf eine gute Ausgewogenheit in der Anwendung beider Konzepte an, um das Beste herauszuholen.

Die Flexibilität und Selbstbestimmtheit der MitarbeiterInnen in Verbindung mit der Fähigkeit nicht-lokaler Gewinnung neuer MitarbeiterInnen bei Remote Work und die kreativitätsfördernde und implizites Wissen vermittelnde Eigenschaft der Präsenzarbeit ist ein echtes Erfolgsduo. Keins von beidem darf allerdings überstark ausgeprägt sein, da sich ansonsten die Nachteile durchsetzen.

Welcher Nutzungsgrad jeweils „überstark“ ist hängt dabei von vielen Faktoren, wie zum Beispiel der Ausprägung von Vertrauen in der jeweiligen Unternehmenskultur ab und ist somit von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich.

Schön und gut – doch was heißt das konkret?

In der jetzigen Situation tun wir bei d.velop alles dafür, das Beste aus der vorgegebenen Situation zu machen, soziale Bindungen aufrecht zu halten und eine möglichst kreativitätsfördernde Atmosphäre in Videomeetings zu schaffen, sowie den informellen Austausch zu fördern.

Ganz konkret heißt das aktuell: Videobild in Videochats und Videomeetings angeschaltet lassen, auch über vermeintlich private Belanglosigkeiten sprechen (informelle Kommunikation fördern), digitale Get-Together mit sozialer Aufgabe durchführen, wie Digitale Escape-Rooms, Online-Quiz, digitale Weinverkostungen, virtuelle Blind-Coffee-Calls, virtuelle regelmäßige Mitarbeiterversammlungen, regelmäßige kurze Statuscalls und vieles mehr.

Für die Zeit nach der Pandemie bzw. nach der zweiten Welle oder auch „zwischen den Wellen“ gilt: Bei d.velop sind wir mit einer agilen Organisationsstruktur bekanntlich überzeugt vom Konzept der Übernahme von Eigenverantwortung und damit auch vom Selbstmanagement. Deshalb bin ich überzeugt, dass sich nach dem, was wir aus der Pandemie gelernt haben, ganz von selbst eine ausgewogene kombinierte Nutzung ergeben wird – wenn irgendwann diese Pandemie überstanden ist und nicht äußere Einflüsse uns zu einer verstärkten Nutzung des Office zwingen.

Wir werden zukünftig nicht zu 100% „zurück ins Office gehen“, und wir werden auch nicht zu 100% aus dem Homeoffice arbeiten.

Was wir bei d.velop tun, um die Ausgewogenheit zu fördern

Wir werden eine erheblich flexiblere Desknutzung (Shared Desk / Clean Desk) etablieren, bei der nicht alle Schreibtische dedizierten Mitarbeitern zugewiesen sind und weiterhin neue Arbeitsflächen und Orte schaffen, welche Teamzusammenarbeit und kreatives Arbeiten fördern – damit genau die Magie der kreativen Schöpfung auf Basis kodifizierten UND stillschweigenden Wissens passieren kann.

Und das ist genau das, was uns die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die praktischen Erfahrungen in der Pandemie lehren: Stay calm, wash your hands (and your desk in the office), be flexible, learn, create, repeat. Ich bin sehr gespannt, welche Potenziale wir mit der Adaption dieser Veränderungen entwickeln können. Ich bin überzeugt, dass sie enorm groß sein werden!

Und zudem freue ich mich sehr auf den persönlichen Austausch „in 3D“ mit den KollegInnen für die Zeit nach den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen – ich kann es kaum erwarten!

Quellen: https://www.d-velop.de/blog/unternehmen/arbeiten-im-homeoffice/

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Bildquellen

  • Besprechung: d.velop
  • arbeiten-aus-dem-homeoffice: d.velop
  • Doennebrink-talk: d.velop