Digitalisierung der KMU in Deutschland, wo stehen wir? In den letzten Jahren hat die Skepsis der deutschen KMU gegenüber der Nutzung von Cloud Technologien abgenommen. Laut Wirtschaftswoche (04. September 2020) hat sich der Anteil der Unternehmen, die kostenpflichtige Cloud-Computing-Dienste einsetzen, in den Jahren 2014 bis 2018 in Deutschland von 11 Prozent auf 22 Prozent verdoppelt. Aber nach wie vor liegen deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich immer noch stark zurück. Für Wachstum ist es jedoch unumgänglich, die Unternehmen von Grund auf zu digitalisieren und auf Dienste aus der Cloud zu setzen. Cloud Ecosystem Geschäftsführer Frank Türling hat zu diesem Thema ein Interview mit Frank Thelen geführt und ihn zum Problem „deutsche Zurückhaltung“ befragt.

Frank, was bedeutet Digitalisierung von Unternehmen für Dich grundsätzlich?

Im Geschäftsbereich müsste eigentlich per Gesetz alles digital sein. Es sollte keinen Prozess, keine Information geben, die nicht digital ist. Warum? Es gibt nur Vorteile dadurch, denn es ist die Basis für exponentiellen Fortschritt. Wir bewegen uns im Zeitalter der exponentiellen Entwicklung. Man sieht das z.B. an Tesla, die eine deutsche Autoindustrie innerhalb von 1-2 Jahren links liegen lassen. Als weiteres Beispiel möchte ich das Unternehmen Smartlane nennen. Smartlane hat eine Künstliche Intelligenz entwickelt und optimiert damit den Transport von Unternehmen, die so rund 25% der Kosten einsparen können. Dadurch kann der Deckungsbeitrag/Gewinn signifikant gesteigert werden.

Um diese Vorteile schnell und effizient nutzen zu können, sollten mittelständische Unternehmen dringend Ihre Basis digitalisieren. Fazit ist, wenn Du nicht digitalisierst, werden Dir zukünftige exponentielle Entwicklungen nicht gelingen, und Du wirst den Anschluss verlieren. Sei es digitales Marketing, Lösungen wie Smartlane, Remote Work oder die geplante Internationalisierung. Alles ist zum Scheitern verurteilt, wenn Du nicht in Deinem Kern schon mit der Digitalisierung begonnen hast.

Wie schätzt Du die Digitalisierung der deutschen Unternehmen im Vergleich zu den Internationalen ein?

Sehr schlecht. Unsere Unternehmen sind nicht digitalisiert. Das sieht man unter anderem aktuell in der Corona Krise. Ich habe noch nie so viel Papier angefasst wie in der letzten Zeit. Ob man irgendwo einreist, ob man in ein Restaurant geht, man muss immer ein Papier Formular ausfüllen. In Ländern wie Spanien wird dies digital durchgeführt.

Wir sind schlecht im Backbone (Anm. der Redaktion zu Backbone: System von Leitungen, die den Großteil der Daten innerhalb eines Computernetzwerks oder zwischen Computernetzwerken transportieren), da kann man die exponentielle Entwicklung nicht mitnehmen. Digitalisierung hat aber wirtschaftliche Chancen. Es entstehen Milliarden an Wert, die dann wiederum unter anderem R&D, Mitarbeiter und BIP generieren. Auch das haben wir nicht mitgenommen, denn nach SAP ist so gut wie kein anderes deutsches digitales Unternehmen entstanden.

smartlaneQuelle: smartlane

Welche Schritte müsste ein typischer deutscher Mittelständler (kein IT-Unternehmen) als erstes einleiten, um sein Unternehmen zu digitalisieren

Wissen, Bewusstsein und Handeln. Der Unternehmer weiß, dass Digitalisierung notwendig ist. Ihm muss aber bewusst werden, dass Digitalisierung für ihn Überlebens entscheidend sein wird. Dann kommt er ins Handeln. Das heißt, es gibt kein Papier mehr, es gibt keinen Prozess, der nicht digitalisiert wird. Es gibt nichts, was von unseren Büros abhängt (natürlich gibt es z.B. bei Logistikern noch Logistikhallen), die Mitarbeiter werden auch virtuell im Homeoffice beschäftigt.

Das Problem wird schon deutlich, wenn man sich klar wird, dass in vielen Unternehmen nicht jeder Mitarbeiter eine eigene E-mail Adresse hat. Handschriftliche Zettel/Notizen müssen digitalisiert werden. Die statische Exceltabelle, die wir heute per Email schicken, muss durch Lösungen ersetzt werden, die überall auf der Welt über den Browser bearbeitet werden können, und die immer den aktuellen Stand hergeben, egal von wem oder wo sie bearbeitet wurden.

Welche Rolle spielen Cloud (SaaS) Lösungen bei der Digitalisierung Deiner Meinung nach?

Im Grunde genommen ist die Cloud die Digitalisierung, es gibt natürlich verschiedene Interfaces. Die Cloud gibt uns  ein virtuelles Rechenzentrum, einen zentralen Ort, an dem alles abgelegt und synchronisiert wird. Deswegen ist die Cloud der einzige Weg in die Digitalisierung. Die Cloud, in welcher Form auch immer, heißt erst mal Internet. Es muss nicht AWS, Azure oder Google sein, es kann auch eine German Cloud oder eine eigene Cloud im Rechenzentrum sein, aber sie sollte nicht on Premise (Software auf einem eigenen Server) sein. Über Internetprotokolle ist ein virtuelles Rechenzentrum, das sich unendlich skalieren lässt, verfügbar.

In Deutschland gibt es immer noch starke Zurückhaltung, eines unserer Hauptprobleme. Was würdest Du deutschen KMU sagen, die immer noch Vorbehalte gegen Cloud Technologien haben?

Diese Unternehmen haben das Thema nicht verstanden. Die Vorteile der Cloud sind so viel größer gegenüber den Lösungen auf dem eigenen Server. Nehmen wir als Gegenbeispiel den Verbrennungsmotor. Manche sagen noch immer, der Verbrenner ist gut. Nein, ist er nicht, er wird sterben. Man kann darüber diskutieren, aber diejenigen, die noch immer Vorbehalte haben, sollten ihre Hausaufgaben machen.

Die nächste Frage überschneidet sich ein wenig, aber welche Gründe gibt es für Dich, Cloud Lösungen zu nutzen. 

Dass Unternehmen effizient arbeiten können, und dass sie sich ständig neue Services zulegen können. Sie haben keine Kosten in der IT-Infrastruktur, die Daten liegen immer aktuell an einer zentralen Stelle (man muss nicht nachfragen, wer die aktuelle Version hat). Ich kann mich bereit machen, damit mein Geschäftsmodell durch was auch immer, Marketing, 3D-Drucker, neue Zulieferer etc, auf Basis dieser Cloud und der Digitalisierung exponentiell wachsen kann.

Quelle: Cloud Ecosystem

Was sollten Unternehmen bei der Auswahl von Cloud Lösungen beachten? Z.B. Datenhaltung in Deutschland?

Ich bin kein Rechtsanwalt, kenne nicht jedes Detail der DSG-VO, aber die aktuellen Regulierungen gefährden unseren Mittelstand und Startups. Da bin ich leider kein Experte und kann nicht viel dazu sagen. Worauf ich achte ist: Hilft sie dem Unternehmen? Für mich ist die Cloud gar keine Frage. Eigentlich müsste die Frage heißen, was die Kriterien für die Auswahl der Software/Services sind. Welche hat den höchsten Mehrwert? Der Preis spielt auch eine Rolle, dieser ist ja meist sehr gering. Mehrwert und Kosten, das sind meine Hauptargumente. Der Mehrwert wird in sehr großen Unternehmen teilweise durch höhere Lizenzgebühren aufgehoben. Dort muss auch bestimmt die Rechtsabteilung drüber schauen. Im Grunde genommen ist es ein Desaster, dass es in Deutschland so ist.

Du hast über die Smart Business Cloud Kontakt mit uns aufgenommen. Was hat dir daran gefallen?  

Ihr beschäftigt euch mit dem Thema Software as a Service im Business Bereich und setzt euch damit auseinander. Ihr wollt das in Deutschland voranbringen und das ist auch für mich ein Herzensthema. Daher habe ich Kontakt aufgenommen. Ich habe mir auch Gedanken gemacht, wie wir uns mit unseren Cloud Lösungen wie zum Beispiel der Xentral ERP Software einbringen können. Es muss etwas passieren. Deutschland hat den Zug komplett verschlafen, sowohl in der Anwendung (dass die Unternehmen heute noch nicht hinreichend digitalisiert sind) als auch in der Opportunity für unser Land, globale Tech-Champions mit großen Werten für unsere Wirtschaft zu schaffen..

Über Frank Thelen:

Frank Thelen ist ein europäischer Seriengründer, Technologie-Investor und TV Persönlichkeit. Seit 1994 gründet und leitet er technologie- und design-getriebene Unternehmen. In seiner Rolle als Gründer und CEO von Freigeist Capital konzentriert er sich auf Investitionen in der Frühphase. Seine Produkte haben über 200 Millionen Kunden in über 60 Ländern erreicht. Frank war der erste Investor in Startups wie Lilium Aviation, Wunderlist, myTaxi, kaufDA und Ankerkraut. 2018 veröffentlichte er mit 42 Jahren seine Autobiografie „Startup-DNA“, die 10 Wochen auf der Spiegel-Bestseller Liste stand. Im Mai 2020 brachte er sein zweites Buch „10xDNA“ heraus, dass sich mit Innovationen und Technologien der Zukunft befasst.

Kontakt zu Frank Thelen: https://freigeist.com/ / lena@freigeist.com

Über Frank Türling:

Frank Türling ist seit vielen Jahren eine Persönlichkeit im Cloud Business. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer des Cloud Ecosystem. Außerdem ist er selbst Unternehmer und Gründer sowie CEO von Basaas, einer SaaS-Lösung für den digitalen Workplace. Cloud Ecosystem unterstützt SaaS-Provider bei der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Mit der Smart Business Cloud verschafft das Ecosystem einen neutralen Überblick über echte SaaS Lösungen, Anbieter können ihre Lösungen außerdem als besonders praxisbezogene Anwendung zertifizieren lassen. Im Projekt Open Integration Hub wird eine Plattform zur vereinfachten Datensynchronisierung zwischen verschiedenen Lösungen entwickelt.

Kontakt zu Cloud Ecosystem: https://www.cloudecosystem.org/ presse@cloudecosystem.org

Bildquellen

  • smartlane-2-full: smartlane
  • Frank Türling mit Cloud Ecosystem Logo: Cloud Ecosystem
  • Frank Thelen Titelbild: freigeist